von Kai Maaz und Olaf Köller
Der Sekundarschulbereich ist der am längsten kontinuierlich besuchte Bildungsbereich. Er beginnt mit der Sekundarstufe I aufbauend auf der vier- oder sechsjährigen Grundschule und führt in je nach Bundesland unterschiedlichen Bildungsgängen zu qualifizierenden Abschlüssen, die mit spezifischen Berechtigungen verbunden sind. Die Organisationsform des Sekundarschulbereichs variiert zwischen den Ländern in zum Teil erheblicher Weise. Die mittlerweile einzige institutionelle Konstante ist das Gymnasium, das es in allen 16 Ländern gibt. Neben dem Gymnasium variiert das Schulformangebot von einer nichtgymnasialen Schulform bis zu fünf nichtgymnasialen Schulformen. Die Bemühungen, das allgemeinbildende Schulsystem auf ein zukunftsfähiges Fundament zu stellen, haben in den letzten Jahrzehnten einen bedeutsamen und nachhaltigen Transformationsprozess des differenzierten Schulsystems in der Sekundarstufe I in Gang gesetzt, der aktuell weiter andauert. Dabei lässt sich eine Verschlankung des Schulformangebots beobachten, von einem viergliedrigen System mit Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Integrierter Gesamtschule hin zu einem Zwei-Säulen-Modell mit dem Gymnasium und einem nichtgymnasialen Zweig, der für Teile der Schülerinnen und Schüler auch zur Hochschulzugangsberechtigung führt.
Dem Sekundarbereich I schließt sich die Sekundarstufe II an, die sowohl im allgemeinbildenden als auch im berufsbildenden Bereich Bildungsangebote macht. Die gymnasiale Oberstufe wird gemeinhin als Sekundarstufe II bezeichnet und führt nach insgesamt 12 oder 13 Schuljahren zum Erwerb einer allgemeinen Hochschulzugangsberechtigung. Aber auch im Bereich der Oberstufe hat sich in den letzten Jahrzehnten ein bedeutsamer Transformationsprozess vollzogen, der mit einer Öffnung der Bildungswege, die zum Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung führen, verbunden ist. Damit gibt es neben den Gymnasien andere Schulformen wie Integrierte Gesamtschulen oder Schulen mit drei Bildungsgängen, die auch zum Erwerb des Abiturs führen.
Ebenfalls zum Sekundarbereich II gehört das Berufsbildungssystem jenseits der tertiären Ausbildung mit seinen drei Sektoren: duales System, Schulberufssystem und Übergangssystem. Während die Angebote der ersten beiden Segmente zu vollqualifizierenden Ausbildungen führen und somit direkt auf den Eintritt in den Arbeitsmarkt vorbereiten, führen die Bildungsangebote des Übergangssystems nicht zu einer vollqualifizierenden Ausbildung, sondern dienen der Vorbereitung einer vollqualifizierenden Ausbildungsaufnahme. Auch das Berufsbildungssystem steht vor zentralen Herausforderungen. Dazu gehört die zunehmende Automatisierung von Fertigungsprozessen gleichermaßen wie die Digitalisierung der Arbeitswelt. Ausbildungsformen und ‑inhalte werden sich schon aufgrund dieser Entwicklungen in der Zukunft weiterentwickeln müssen. Von besonderer Bedeutung ist die anhaltende Expansion zu höherer Bildung, die sich unter anderem in der Öffnung des Gymnasiums sowie des Hochschulzugangs äußert. Damit ändern sich die Rahmenbedingungen für den Zugang zu verschiedenen Ausbildungssegmenten, die im Bereich der dualen Ausbildung und im Schulberufssystem teilweise von Abiturientinnen und Abiturienten dominiert werden. Durch die Expansion des Hochschulsektors konkurrieren Universitäten und Fachhochschulen auf der einen Seite und Ausbildungen im Bereich des dualen Systems und der Schulberufsausbildung auf der anderen Seite zunehmend um Abiturientinnen und Abiturienten.
Der vorliegende Buchteil greift die zentralen Entwicklungen im Sekundarschulbereich auf. In Kapitel 14 stehen die Bildungsgänge des allgemeinbildenden Sekundarschulbereichs I im Mittelpunkt. Neben der Aufarbeitung der Bildungsexpansion werden Fragen der Modernisierung weg von einem viel- hin zu einem zweigliedrigen Schulformmodell diskutiert. Darüber hinaus werden die zentralen Befunde der auf den länderübergreifenden Bildungsstandards basierenden Large-Scale Assessments am Ende der Sekundarstufe I berichtet, die Auskunft über die Leistungsfähigkeiten der Sekundarstufe I in den 16 Ländern geben. Schließlich werden solche Assessments auch genutzt, um Disparitäten im Bildungssystem zu beschreiben.
Das Kapitel 15 setzt sich mit dem allgemeinbildenden Teil des Sekundarbereichs II und dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung auseinander. Dabei werden unter anderem verschiedene Wege, die zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung führen, beschrieben und in ihrer Bedeutung eingeordnet. Neben der Beschreibung der formalen Organisationsstruktur liegt ein weiterer Fokus auf zentralen Entwicklungen, die für den Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung von Bedeutung sind. Dazu zählen unter anderem Zielsetzungen und die Ausgestaltung der Oberstufe, das Erreichen von Leistungsstandards oder die Vergleichbarkeit von Bewertungsmaßstäben beim Erwerb des Abiturs.
In Kapitel 16 steht das Berufsbildungssystem im Zentrum. Unter einer ungleichheitssoziologischen Perspektive werden Möglichkeiten und Barrieren für die Entdeckung von Bildungspotenzialen in diesem Bereich behandelt. Neben der Beschreibung der institutionellen Strukturen, der Bildungsbeteiligung und dem Zugang zu Ausbildungsplätzen werden Anpassungsprozesse des Berufsbildungssystems seit den 1970er Jahren beschrieben.